Dr. Klaus Miehling: Christentum und Libertarismus

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Ausgangspunkt dieses Artikels war eine persönliche Erfahrung: Die evangelische Kirchengemeinde Freiburg-Nord sagte im März 2022 fünf Tage vor dem Termin ein Konzert mit Kompositionen von mir ab, nachdem sie von meinen libertären Positionen erfahren hatte.

Das sprach natürlich der in Kirchen sonst gepredigten Toleranz und Nächstenliebe ebenso Hohn wie der kirchlichen Jahreslosung „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“ (Joh 6,37) – und zwar unabhängig davon, ob sich meine Standpunkte mit denen der evangelischen Kirche vereinbaren lassen oder nicht. Schließlich bin ich kein Angestellter der Kirche, und ein Gesinnungstest für Musiker und Komponisten vor einem Konzert dürfte ein Novum sein; zudem war die Musik mit kirchlichen Texten zur Passionszeit christlich durch und durch.

Ich selbst bin Agnostiker wie vermutlich viele, die in Kirchen musizieren, weil sie eben Musiker sind und die Kirchenmusik um der Musik willen lieben. Aber ist der Libertarismus wirklich unvereinbar mit dem Christentum? So unvereinbar sogar, dass man sich von solchen Menschen distanzieren muss, wo doch Jesus selber mit den Ausgestoßenen seiner Zeit Umgang pflegte?

Und kann ich mir als Agnostiker überhaupt anmaßen, dies zu beurteilen? Ja, das kann ich. Nicht nur, weil das Christentum in meinem Leben stets präsent war, von der Schule (dreizehn Jahre Religionsunterricht und Abiturprüfungsfach) über das Studium (Musik, Musikwissenschaft, Kunstgeschichte, Historische Hilfswissenschaften) bis zum Beruf (Vertonung christlicher Texte, Anwesenheit in hunderten Gottesdiensten), sondern vor allem, weil ich meine Behauptungen mit der Bibel begründen kann. Dazu ist nicht erforderlich, an die Existenz eines Gottes und die Gottessohnschaft Jesu zu glauben. Es kommt nur darauf an, was Jesus ausweislich der Bibel gesagt hat. Denn das ist für Christen „Gottes Wort“.
Libertarismus und Liberalismus

Es sei zunächst angemerkt, dass die Begriffe „Libertarimus“ und „Liberalismus“ oft unterschiedslos verwendet werden. In unserer inzwischen so sehr von den USA beeinflussten Kultur kann das zu Missverständnissen führen, weil die englischsprachige Bedeutung von „liberal“ eine andere ist als die deutsche; sie entspricht eher der modernen Sozialdemokratie mit staatlichem Interventionismus, Umverteilung, Genderideologie und Bevorzugung bestimmter Minderheitengruppen. Im (bundes)deutschen Sprachgebrauch wurde der Begriff „Liberalismus“ auch durch die FDP verwässert, die sich als liberal bezeichnet, aber beispielsweise keine Probleme damit hatte, beinahe geschlossen für die völlig illiberale berufsspezifische Impfpflicht abzustimmen

.

Als Vertreter des „Liberalismus“ wird bei Wikipedia denn auch etwas missverständlich der libertäre Ökonom Roland Baader

(1940 – 2012) bezeichnet. Bereits er hatte, selbst gläubig, aufgezeigt, dass kein Widerspruch zwischen Christentum und Libertarismus besteht, und er kritisierte die „Sozialdemokratisierung“ der Kirche.
Jesus – ein Sozialist?

Tatsächlich liest man oft die Behauptung, Jesus sei ein Sozialist gewesen. Hier

z.B. wird versucht, das mit einer Handvoll Bibelzitate zu untermauern.

Gewiss, Jesus richtete sich gegen Habgier und forderte zu Großzügigkeit auf. Was aber jener Autor und alle anderen ähnlich argumentierenden übersehen, ist die Tatsache, dass Jesus keine Gesellschafts- oder gar Herrschaftsordnung errichten wollte („Mein Reich ist nicht von dieser Welt“, Joh 18,36), sondern sich an jeden Einzelnen persönlich wandte. Sozialismus dagegen ist eine Gesellschafts- und Herrschaftsordnung, die in extremer Weise in die individuelle Freiheit eingreift. Jesus wusste, dass „gottgefälliges“ Handeln nur dann gottgefällig sein konnte, wenn es freiwillig erfolgte. Übertragen auf sozialistischen Jargon heißt das: Erzwungene Solidarität ist keine Solidarität.
Der reiche junge Mann und der barmherzige Samariter

Da gibt es die bekannte Erzählung, dass ein reicher junger Mann zu Jesus kam und ihn fragte, was er tun könne, um das ewige Leben zu erlangen. Jesus sagte zu ihm: „Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach!“ (Mk 10,21). Wohlgemerkt: „verkaufe“, nicht „verschenke“ alles! Und als der Mann der Aufforderung nicht nachkommen wollte, wurde er nicht von Jesus gezwungen. Er ließ ihm seine freie Entscheidung.

Jesus tat nie das, was sozialistische Politiker tun: Den einen etwas wegzunehmen, um es anderen zu geben. Auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter bin ich bereits an anderer Stelle
eingegangen. Dessen persönliches Handeln ist nicht auf staatliches Handeln übertragbar. Insofern war es ein Missbrauch der Religion, als der damalige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion bei einem Kongress im Jahr 2019 (das Video

wurde am 9. 5. veröffentlicht) zum Thema „Globale Gesundheit stärken“ sagte: „Lassen Sie uns barmherzige Samariter sein!“ Der barmherzige Samariter war nämlich von seinem eigenen Geld mildtätig, während der Staat das Geld dafür seinen Bürgern abpresst.

Auch wenn Jesus, beispielsweise in der Bergpredigt, Lehren der alten Schriften (später als „Altes Testament“ in Auswahl kodifiziert) relativierte oder aufhob, so hat er niemals die zehn Gebote des Judentums, die der Überlieferung zufolge Moses am Berg Sinai durch Gott offenbart wurden, in Frage gestellt, sondern sich verschiedentlich auf sie bezogen. So auch in dem oben genannten Gespräch mit dem jungen Mann, wo er diesen zunächst an jene Gebote erinnerte (Mk 10,19): „Du kennst die Gebote: Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“

Der Sozialismus widerspricht aber eklatant dem hier zitierten (siebten) Gebot: „Du sollst nicht stehlen!“ Denn Sozialisten erheben eine progressive Einkommensteuer und finanzieren davon Sozialleistungen. Dass „der Staat“ das macht, ändert nichts daran, dass es de facto ein Diebstahl ist, denn Menschen werden mit Gewalt(androhung) – Geldstrafe oder Freiheitsentzug – dazu gezwungen, einen Teil ihres Eigentums abzugeben, wovon wiederum ein großer Teil an andere Menschen „verschenkt“ wird (wobei man genau genommen nur „verschenken“ könnte, was einem gehört).
Libertarismus als Gegensatz zum Sozialismus

Der Libertarismus steht im Gegensatz zum Sozialismus. Seine Grundlage ist das Eigentumsrecht, worunter auch das „Selbsteigentum“ fällt, d.h. der Mensch gehört sich selbst. Allenfalls hier könnte man einen Unterschied zum Christentum sehen, wo der Mensch in gewissem Sinn Eigentum Gottes ist, der ihn „geschaffen“ hat. (Deshalb ist Selbstmord im Christentum Sünde, im Libertarismus nicht.) In der Praxis ändert das freilich wenig, denn einem anderen Menschen kann man auch aus christlicher Sicht nicht gehören.

Das Gebot „Du sollst nicht stehlen!“ ist also zutiefst libertär, ja geradezu die Grundlage des Libertarismus. Im Sinne des Selbsteigentums führt das auch zum (gleichfalls oben von Jesus zitierten) fünften Gebot „Du sollst nicht töten!“, an das sich der real existierende Sozialismus in Ländern wie der Sowjetunion, China, Nordvietnam und Nordkorea ebenfalls nicht gehalten hat.

Der Sozialismus ist freilich, abgesehen vom eher in der Theorie existierenden Kommunismus, nur die extremste Form staatlichen Diebstahls. Wohl jeder existierende und jemals existiert habende Staat maßt(e) sich an, in die Eigentumsrechte der Bürger einzugreifen. Solche Staaten dürften von Christen also nicht unterstützt werden. Freilich sind sie für die Kirchen praktisch, wenn sie das Eintreiben der Kirchensteuern übernehmen …

Als man Jesus fragte, ob es richtig sei, Steuern zu bezahlen, antwortete er bekanntlich: „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ (Mk 12,17). Er bezog sich darauf, dass auf den Münzen das Bild des Kaisers zu sehen. Man kann es als taktische Antwort deuten, damit man ihn nicht als Aufrührer überführen konnte (der er ja auch nicht sein wollte), aber auch so, dass man, im Sinne der in der Bergpredigt gegebenen Beispiele, Unrecht erdulden solle. Eine sozialistische Haltung spricht daraus nicht. Vielmehr ist der damit de facto ausgesprochene Grundsatz „suum cuique“ („Jedem das Seine“) wiederum eine genuin libertäre Einstellung.

Wer gemäß der ebenfalls in der Bergpredigt ausgesprochenen Forderung „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ (Mk 12,31) empfindet und handelt, der wird sich ebenfalls „libertär“ verhalten, d.h. die Rechte und das Eigentum dieses Nächsten respektieren.

Bedeutet das, dass auch die Kirchen als Institution nicht mildtätig sein dürfen? Nein; denn so problematisch die meist zunächst erzwungene Mitgliedschaft durch Taufe kurz nach der Geburt und die Eintreibung der Kirchensteuern durch den Staat auch ist, kann man sich doch der Kirche durch Austritt entziehen. Zyniker werden in Bezug auf den Staat einwenden, dass man ja auswandern könne. Aber das ist nicht vergleichbar. Erstens gibt es noch keine libertären Staaten als mögliche Fluchtorte (wenn auch erste Privatstädte auf dem Weg sind), zweitens hat man normalerweise keinen Anspruch darauf, von einem anderen Staat aufgenommen zu werden, und drittens sind die Aufgabe der gewohnten Umgebung und der mit einer Auswanderung verbundene Aufwand nicht zumutbar. (Andernfalls wäre auch Schutzgelderpressung durch die Mafia rechtens, da man sich auch hier durch Wegzug entziehen könnte.)

Dass dennoch viele Leistungsträger Deutschland aufgrund der weltweit höchsten Steuer- und Abgabenlast (höher noch als in erklärt sozialistischen Ländern!) verlassen, von anderen totalitären Entwicklungen ganz zu schweigen, spricht freilich Bände.
Jesus – ein Libertärer

Wollte irgendeine politische Ideologie Jesus für sich reklamieren, so könnte dies nur der Libertarismus tun. Natürlich ist er nicht mit dem Christentum gleichzusetzen, zumal er nicht religiös ist (was allerdings nicht bedeutet, dass ein Libertärer nicht religiös sein könnte). Der Libertarismus begründet seine einfache Regel des Zusammenlebens – „Respektiere das Eigentum!“ – mit dem natürlichen Wollen jedes Menschen, über sich und sein Eigentum selbst zu bestimmen, und mit dem angeborenen Empfinden, dass Übergriffe anderer auf die eigene Person und den eigenen Besitz Unrecht sind (versuchen Sie, einem Baby seinen Schnuller wegzunehmen!). Dieses im Libertarismus so genannte „Naturrecht“ lässt sich – quod erat demonstrandum – auch aus den Evangelien ableiten.

Christentum und Libertarismus haben somit eine große Schnittfläche. Ein Libertärer muss kein Christ sein; aber ein Christ, der seiner Religion folgt, muss libertär sein.

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Libertarismus & Marxismus entstammen derselben Quelle – Schnelldurchlauf durch die Weltgeschichte
Russland Ungefiltert

INHALT
0:00 Anfang
00:50 Libertarismus und Marxismus als Ideologien derselben Leute
01:45 Mont Pelerin Society, globale Situation unmittelbar davor
05:35 Beeinflussung der Bibel durch GP
10:35 Korrektur des Biblischen Projektes: Einführung des Liberalismus
11:58 Versuch einer Korrektur des Liberalismus durch den Marxismus
12:25 Was sind Ideologien? Liberalismus
20:45 Marxismus, Scheitern der Weltrevolution
26:31 Mont Pelerin Society
30:09 Wer war Ludwig von Mises?
38:12 Die Erfindung der Ukraine
50:29 Überblick der globalen Ereignisse, die Zum Marxismus führten
55:30 Fünfjahrespläne von Stalins
59:05 Nachkriegssituation
01:09:14 Pinochet und die Schocktherapie von Milton Friedman
01:20:03 Ayn Rand
01:22:14 Malaysia
01:24:06 Planwirtschaft
01:29:53 Wiktor Gluschkow; OGAS
01:31:56 Gemeinsamkeiten von Libertarismus und Marxismus
01:34:51 Staat oder nicht Staat?
01:38:28 Marxismus oder ein anderes Szenario
01:42:57 Fälschung der russischen Geschichte
01:47:53 Katyn

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